Es gibt kaum jemanden, der keine Nachbarn hat und damit nicht auch selbst Nachbar ist. Darum muss es auch hierfür Regeln geben, die teilweise im Bürgergleichen Gesetzbuch (BGB) und in Gesetzen der einzelnen Bundesländer zu finden sind. Hinzu kommen Vorschriften, die von den Ländern, Bezirken oder Kommunen erlassen werden.
Verträge gehen vor
Die meisten Bestimmungen des BGB können von den Nachbarn untereinander durch Verträge anders geregelt werden. Die BGB-Bestimmungen greifen dann nur, wenn keine Vertragsregelung vorliegt.
Wenn es um die Grenze geht
Häufig kommt es zu Streitigkeiten über die Grenze zwischen zwei Grundstücken. Meist entsteht der Streit, wenn die Grenzzeichen im Laufe der Jahre verloren gingen oder nicht mehr erkennbar beziehungsweise auffindbar sind.
Dann kann jeder Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn verlangen, dass dieser an der Festlegung beziehungsweis Kennzeichnung des Grenzverlaufs mitwirkt. Das ergibt sich aus § 919 Abs. 1 BGB:
„Der Eigentümer eines Grundstücks kann von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks verlangen, dass dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen verrückt oder unkenntlich geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt.“
Dies greift aber nur, wenn der Grenzverlauf an sich unstreitig ist. Ist der Verlauf der Grenze jedoch nicht (mehr) zu ermitteln, gelten die Bestimmungen des § 920 BGB:
§ 920 BGB – Grenzverwirrung:
(1) Lässt sich im Falle einer Grenzverwirrung die richtige Grenze nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand maßgebend. Kann der Besitzstand nicht festgestellt werden, so ist jedem der Grundstücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen.
(2) Soweit eine diesen Vorschriften entsprechende Bestimmung der Grenze zu einem Ergebnis führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt, ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht.
Wem gehört der Zaun?
Oft sind Zäune, Mauern, Hecken usw. so alt, dass man nicht mehr weiß, wem sie gehören. Der Gesetzgeber hat hierzu klargestellt, dass solche „Grenzanlagen“ – wenn die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt werden können – ein gemeinsames Nutzungsrecht haben. Dies besagt § 921 BGB:
§ 921 BGB: Gemeinschaftliche Benutzung von Grenzanlagen
Werden zwei Grundstücke durch einen Zwischenraum, Rain, Winkel, einen Graben, eine Mauer, Hecke, Planke oder eine andere Einrichtung, die zum Vorteil beider Grundstücke dient, voneinander geschieden, so wird vermutet, dass die Eigentümer der Grundstücke zur Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt seien, sofern nicht äußere Merkmale darauf hinweisen, dass die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört.
Da der Gesetzgeber hier von einer „Vermutung“ spricht, kann diese natürlich auch von den Grundstücksnachbarn widerlegt werden.
Bleibt es aber bei den Voraussetzungen nach § 921 BGB stellt sich nun die Frage, wer beispielsweise den Zaun streichen muss, der die Grenzanlage bildet. Hier hat der Gesetzgeber klar entschieden, dass, wenn beide zur Nutzung berechtigt sind, auch beide für die Unterhaltung der Grenzanlage verantwortlich sind.
§ 922 BGB: Art der Benutzung und Unterhaltung
Sind die Nachbarn zur Benutzung einer der in § 921 bezeichneten Einrichtungen gemeinschaftlich berechtigt, so kann jeder sie zu dem Zwecke, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benutzen, als nicht die Mitbenutzung des anderen beeinträchtigt wird. Die Unterhaltungskosten sind von den Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen. Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestand der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Im Übrigen bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen den Nachbarn nach den Vorschriften über die Gemeinschaft.
Wann die Hecke weg muss
Wird die Grenze durch eine Hecke oder durch Bäume markiert ergeben sich mehrere Fragen. Tragen die Bäume oder Sträucher beispielsweise Früchte, so sagt der Gesetzgeber, dass die Ernte beiden Anliegern zu gleichen Teilen zusteht.
Die Entfernung von Bäumen oder Sträuchern kann jeder Nachbar verlangen. Werden die Gehölze entfernt, sollten die Erlöse und Kosten zwischen den Nachbarn aufgeteilt werden. Allerdings kann der Nachbar, der die Beseitigung nicht anstrebte auf seinen Anteil am etwaigen Erlös verzichten. Dann erhält der andere Nachbar das Alleineigentum und muss auch die Kosten alleine tragen (§ 923 BGB).
Wird über die Grenze gebaut
Immer wieder kommt es vor, dass ein Nachbar auf das Grundstück des anderen baut. Der Gesetzgeber spricht dann vom „Überbau“. Nach § 912 BGB hat der Grundstückseigentümer diesen Überbau zu dulden, wenn dem bauenden Nachbar keine grobe Fahrlässigkeit oder kein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Allerdings hat der Grundstücksinhaber dann Anspruch auf eine Entschädigung in Form einer Geldrente. Diese Rente ist jährlich im Voraus zu zahlen (§ 913 BGB). Alternativ zur Verrentung des Grundstücksteils kann der Eigentümer jedoch auch den Verkauf des Grundstücksteils verlangen.
Liegen Fälle der groben Fahrlässigkeit vor, müssen die Gerichte entscheiden, ob ein Abriss beziehungsweise Rückbau gerechtfertigt ist.
Was riecht denn hier so?
Ein anderes Streitthema sind oft Gerüche, die ja nicht auf dem eigenen Grundstück „eingefangen“ werden können und deshalb schnell zur Belästigung der Nachbarn führen können. Ähnlich ist es bei anderen nicht aufhaltbaren Einflüssen wie beispielsweise Geräusche, Rauchentwicklung, Erschütterungen des Erdreichs usw.
Der Gesetzgeber spricht hier von „unwägbaren Stoffe“. Hierzu sagt das Bürgerliche Gesetzbuch:
§ 906 BGB: Zuführung unwägbarer Stoffe
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.
Damit wird klargestellt, dass solche Immissionen immer dann vom Nachbarn hinzunehmen sind, wenn sie
Die Grenze zwischen wesentlichen und unwesentliche Einflüssen wird dabei weitgehend von den Immissionsschutzbestimmungen festgelegt.
Der § 906 BGB greift also immer dann, wenn Immissionen bereits entstanden sind. Allerdings hat der Nachbar auch Möglichkeiten, die Entstehung von Immissionen zu beeinflussen. So kann der Nachbar nach § 907 BGB eingreifen, wenn der Nachbar sogenannte risikobehaftete Anlagen auf seinem Grundstück plant.
§ 907 BGB: Gefahr drohende Anlagen
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige Einwirkung tatsächlich hervortritt.
(2) Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im Sinne dieser Vorschriften.
Muss der Baum da weg?
Der eine liebt seine Pflanzen im Garten – der andere ärgert sich über Blätter und Gräser, die über die Grundstücksgrenze zu ihm herübergeweht werden. Der eine kann sich an seinen Blumen gar nicht satt sehen – der andere findet es eigentlich nur schrecklich. Blumen, Pflanzen, Sträucher und Bäume führen immer wieder zum Streit zwischen den Nachbarn.
Hier gilt grundsätzlich, dass jeder auf seinem Grundstück machen kann, was er will. Erst wenn der Bewuchs des einen Grundstück Auswirkungen auf das Nachbargelände hat, greift das Nachbarrecht. Dabei spielen aber rein optische Auswirkungen – dem einen gefällt die Bepflanzung auf dem Nachbargrundstück nicht – keine Rolle. Hier geht es um direkte Auswirkungen, wie etwas Blätter und Blüten, die herübergeweht werden oder Wurzeln, die unterirdisch über die Grenze hinauswachsen.
Wenn es um Wurzeln geht oder über die Grenze herüberragende Zweige, gibt es eine klare gesetzliche Regelung, die in § 910 BGB zu finden ist:
§ 910 BGB: Überhang
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.
Im Übrigen findet man im BGB keine Vorschrift zu der Frage, wie weit Pflanzungen von der Grenze entfernt sein müssen. Dies ist in den landesrechtlichen Bestimmungen geregelt. Da hier teilweise sogar zwischen Pflanzarten (Bäume oder Sträucher, Höhe der Sträucher) unterschieden wird, sollte man sich in diesen Fragen Auskunft bei der Kommunalverwaltung holen.
Der Blick aus dem Fenster
Fenster können so gesetzt sein, dass man hier einen Überblick über das Nachbargrundstück erhält, wodurch sich der Nachbar vielleicht sogar belästigt fühlt. Umgekehrt kann aber auch ein Grundstückseigentümer Baumaßnahmen vornehmen, die dem Nachbarn die Sicht und vielleicht sogar das Licht nehmen. Auch hier gibt es unterschiedliche Vorschriften der einzelnen Bundesländer.
Wann darf man auf das Nachbargrundstück?
Grundsätzlich hat niemand etwas auf dem Nachbargrundstück zu suchen, es sei denn, dies wurde ihm vom Eigentümer gestattet. Aber auch von dieser Regelung gibt es einige Ausnahmen. So kann der Nachbar natürlich auf Ihr Grundstück, wenn dies in einem Notfall unumgänglich ist. Das kann beispielsweise bei einem Hausbrand der Fall sein. Kommt es hierbei jedoch zu Schäden auf dem Nachbargrundstück sind diese dem Eigentümer zu ersetzen.
Es kommt – wenn auch selten – vor, dass man von einem Grundstück aus keinen Anschluss an das öffentlichen Straßen- oder Wegenetz hat. Dann greift das Notwegerecht, das im BGB verankert ist:
§ 917 BGB: Notweg
(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.
(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
Verkauft der Grundstückseigentümer ein Teil seines Grundstücks und ist dieser Teil nicht mehr an das öffentliche Wegerecht angeschlossen, muss der Verkäufer dem Käufer das Notwegerecht auf seinem Grundstück einräumen (§ 918 Abs. 2).
Allerdings ist der Nachbar zur Duldung des sogenannten Notwegerechts nicht verpflichtet, wenn der Grundstückseigentümer es selbst verschuldet hat, dass sein Grundstück keinen direkten Anschluss an das Wegenetz hat (§ 917 Abs. 1). Das könnte beispielsweise durch eine Baumaßnahme der Fall sein.
Ein weiterer, gar nicht so seltener Fall ist es, dass der Nachbar Ihr Grundstück betreten muss, um beispielsweise etwaige Reparaturen am Haus vorzunehmen. Hier haben die Bundesländer eigene Regelungen getroffen die gemeinhin als Hammerschlags- und Leiterrecht bezeichnet werden.